Kann man einen 50-Hz-Synchronmotor auch mit mehr als 3000 Umdrehungen laufen lassen ? Aber natürlich - mit Röhren !

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Letzte Änderung: 5.11.2023

Köstlich, dieser Braten vom Holz­kohle­grill!

Unerwartet zu Beginn der Grill­saison sah ich mich vor das Problem gestellt, die Drehzahl des lang­erprob­ten Synchron­motors, der bei mir im Garten den Grill­spieß in Rota­tion versetzt, variabel machen zu müssen. Der kleine Motor, rechts im Bild, stammt eigentlich aus einer elektro­mecha­nischen Zeit­schalt­uhr. Er ist auf ein Getriebe aufge­flanscht, das die Dreh­zahl von 3000 pro Minute auf exakt 60 Umdre­hungen pro Stunde herab­setzt. Einmal pro Minute wird der Braten also an der glühen­den Holz­kohle entlang (rechts unten) um seine Achse gedreht. Das Braten­rezept finden Sie übri­gens hier.

Der Motor wird normalerweise am Netz mit 230 V, 50 Hz gespeist und ent­wickelt dank des Getrie­bes ein enormes Dreh­moment, das ohne wei­teres einen dicken Schweine­roll­braten über einem Holz­kohle­feuer in Drehung um die Längs­achse versetzen kann. Und die sehr niedrige Roll­braten­drehzahl von 60 pro Stunde gewähr­leistet nach jahre­langer Erfahrung einen optimalen Garungs- und Bräunungs­prozess.

Doch da ist jetzt ein Problem...

Doch Zeiten und Geschmäcker ändern sich, jeden­falls was Roll­braten angeht. War früher der fette, deftige Schweine­kamm­braten der unbe­strit­tene König familiärer Garten­parties, so ist es heute eher der mit Zwiebel­ringen, Kräuter­pesto, Käse und Gurken­scheiben verfei­nerte Stapel von Steaks oder einer Kalb­shaxe, die auf den Spieß gesteckt und mit Oliven­öl oder Kräuter­butter einge­pinselt werden. Und da sind über der Holz­kohle­glut eben 60 Umdre­hungen pro Stunde einfach zu wenig: Käse, Pesto, und Gemüse­saft tropfen in der Hitze einfach vom Spieß herunter, statt - wie nach sorg­fältiger Problem­analyse durch meine Frau zweifels­frei erwiesen ist - durch die Rotation auf der Ober­fläche des Grill­guts verteilt zu werden.

Also erhielt ich die Aufgabe, die Dreh­zahl des Grill­motors herauf­zusetzen. Vorver­suche mit dem Camping-Spannungs­wandler eines Arbeits­kollegen haben gezeigt, dass ein Betrieb mit einer Fre­quenz von 115 Hz möglich ist, ohne dass der Synchron­motor außer Takt gerät. Das ergäbe dann 138 Umdre­hungen pro Stunde, sicher mehr als ausrei­chend. Schon mit 100 bis 110 wäre meine Frau zufrie­den, sagte sie.


Der Grillmotor mit aufgesetztem Bratenspieß. Er wird samt dem Spieß (natürlich, wenn der Braten daraufgesteckt ist), in den gusseisernen Grill eingehängt.


Zum Anmontieren an den Bratenspieß wird dieser mittels einer eisernen Muffe an der Motorachse festgeschraubt.

Das Holzkohlebett wird nach dem Anheizen vertikal gestellt, und der Braten wird eingehängt. Jetzt etwa 60 bis 90 Minuten langsam garen lassen. Den Bratensaft sammeln wir mit einer Aluschale.


Die Lösung, mit Röhren!

Die Lösung des Problems war ein Wechsel­strom­umrichter, der etwa 230 Volt Wechsel­spannung bei 70 bis 110 Hz erzeugt. Habe mir daher mit meinem speziel­len Elek­tronik-Steck­system, einer TV-Zeilen­end­stufen-Pentode PL 504, einem alten 40-VA-Netztrafo (mit Wick­lungen für 2 x 110 V und 4 x 25 V, wobei nur zwei 25-Volt-Wick­lungen benötigt und in Serie geschal­tet werden) und etwas Klebe­band auf einem Regal­brett einen einiger­maßen garten­taug­lichen und (in Grenzen) frequenz­variablen Gene­rator für etwa 40 - 110 Hz zusammen­gebaut. Röhre und Trafo sind stark genug, den kleinen Motor zu betreiben. Die Strom­versorgung kommt von einem alten Heath­kit-Röhren­netz­gerät und einem Modell­eisen­bahn­trafo (für die 27 Volt Heiz­spannung, die eine PL 504 benötigt). Alle Teile sind an eine robuste Behand­lung gewöhnt, und die Verbindungs­kabel habe ich mit Klebe­band sicher befestigt.


So funktioniert der Röhren-Umrichter

Oben im Bild nun die Schaltung, ein LC-Oszil­lator nach dem Meißner-Prinzip. Die Frequenz des Umrich­ters wird durch den Anoden­schwing­kreis, bestehend aus den beiden 110-Volt-Wick­lungen des Transformators und den 1-µF-Kondensatoren, bestimmt. Beide Wick­lungen zusam­men haben eine Induk­tivität von ca. 5 H. Bei 1 µF ergibt das eine Resonanz­frequenz von 71 Hz. Durch Zuschal­ten bzw. Ent­fernen von Konden­satoren kann die Frequenz nach oben oder unten verscho­ben werden. Das Gitter der Röhre wird aus zwei in Reihe geschal­teten 25 V-Wick­lung gespeist. Der Grill­motor wird an eine der beiden 110-Volt-Wick­lungen ange­klemmt (welche ist eigent­lich egal). An diesen Wick­lungen liegen hier je etwa effek­tive 170 bis 180 Volt Wechsel­spannung. Natrlich darf der Moter keinen Gleich­strom aus dem Netzgerät abbe­kommen, sonst funk­tioniert weder er selbst noch der Umrichter.

Vermag denn die Röhre, die Schwing­ungen trotz der recht hohen Last sauber auf­recht zu erhalten? Die Messung des Kathoden­stroms beweist (rechtes Bild, unteres Oszil­logramm), dass die PL sehr sauber und ohne zu "pumpen" vom leiten­den in den sperrenden Zustand durch­schaltet und umgekehrt. Die 7 ms langen, M-för­migen Strom­impulse erreichen an Anfang und Ende etwa 400 mA. Sie fallen in der Mitte auf knapp 120 mA ab. Das ist ganz charak­teris­tisch. Der Kathoden­strom geht hier zurück, weil die Anoden­spannung fast auf Null gezogen wird. Das zeigt, dass die Last­anpas­sung in der angege­benen Schal­tung ziemlich optimal ist. Ein kriti­sches Auge sollte man auf den Spitzen­wert der Gitter­spannung werfen. Die sollte 100 Volt nicht über­schreiten. Auf jeden Fall sollte man alle Span­nungen am Oszi ansehen und den Oszil­lator nicht ohne Last betreiben.

So schaltet die Röhre den Strom

Das Oszillogramm zeigt den Inverter bei der Arbeit. Die Frequenz ist 77,6 Hz. Der Synchromotor dreht mit 4656 Umdrehungen, der Rollbraten mit 1,55 pro Minute.
Oben: die Anodenspannung der Pentode beträgt etwa 400 Volt in der Spitze (200 V pro Teilung am Oszi).
Unten: der Kathodenstrom, der über den Spannungsabfall an dem 10-Ohm-Widerstand in der Kathodenzuleitung gemessen wird. Jeder einzelne Stromimpuls hat bei geringer Last die typische M-Form, d.h. er hat einen Sattel in der Mitte. Dagegen sind die Stromflanken am Anfang und am Ende sehr steil und hoch. Maxiaml fließen hier 400 mA. Wird der Oszillator stärker belastet, dann sinkt der der Sattel zwischen den Flanke weniger tief ein, und der Impuls wird bei Maximalleistung rechteckig. Auch andere Oszillatoren wie zum Beispiel das Induktionsgerät zeigen dieses Verhalten.

Fazit

Dass man am Geschmack des Grill­bratens letztlich den Unter­schied zwischen 50 Hz und 77 Hz Betriebs­frequenz im Grillmotor fest­stellen kann, glaube ich, ehrlich gesagt, nicht. Gleich­ohl trägt die Schal­tung bei den Gästen zur Würdi­gung des Essens und des hohen Standards der Köche, meiner Frau und mir, bei. Damit ist schließ­lich ein wesent­liches Ziel schon mal erreicht.
Wenn wir dann zum Grillen bei Freunden einge­laden werden, dürfen auch wir nunmehr auf eine ganz exklu­sive Gaumen­freude hoffen.

Weitere Anwendungen

Natürlich kann man mit dem Inverter nicht nur Grill­motoren betrei­ben. Auch bei kleinen Lüftern und Venti­latoren, sofern sie einen 50-Hz-Asynchron­motor, das heißt in der Regel einen Spalt­polmotor haben, erweist sich der Einsatz des Inver­ters als leistungs­steigernd. Ebenso läßt sich für Klein­geräte aus US-ameri­kani­scher Produk­tion (110V, 60 Hz) die frequenz­gerechte Betriebs­spannung erzeugen.

Hier konnte ich eine alte Blech­eisenbahn mit dem Inverter wieder test­weise zum Laufen bringen. Der Net­ztrafo dieses antiken Spiel­zeugs ist für 110 Volt konstru­iert. Das war um 1930 durch­aus üblich. Er sitzt in dem Blech­häuschen hinter der Loko­motive und ist als Umspann­station getarnt. Mehr dazu, womit ich diese Eisen­bahn heute betreibe, finden Sie unter dem Stich­wort Lokomo­bili­sator.


Ein weiteres Bild des Inverters, den ich zuvor natürlich im Labor ausgiebig getestet habe.

Hans Martins Bastelseiten auf sauerampfer-online, 2020 - 2023