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Magnetisches Barkhausen-Rauschen

Da passiert irgendetwas im Blumendraht:

Rauschende Elementarmagnete im Magnetfeld

Letzte Änderung: 4.2.2021

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1. Die Nagelprobe - der allererste Test

Für Magnetismus habe ich mich schon in meiner Schulzeit interessiert, einen Magnetkompass und primitive Elektromotoren gebastelt. Aber noch erstaunlicher fand ich folgendes Experiment: eine Spule mit einem Nagel darin wird an den Mikrofoneingang eines Radios angeschlossen. Wenn man nun einen Magneten in die Nähe bringt und hin und her bewegt, dann kommt aus dem Lautsprecher ein an- und abschwellendes Rauschen, das an die Meeresbrandung erinnert.
Der Nagel wird vom magnetisiert, er ist schließlich aus Eisen. Aber das Magnetisieren vollzieht sich nicht gleichmäßig, sondern in kleinen "Sprüngen". Das Eisengefüge im Nagel besteht aus winzigen, diskreten Elementarmagneten, die sich in alle Richtungen orientieren können. Normalerweise ist ein Nagel trotzdem kein Magnet, weil die Elementarmagnete zufällig in alle Richtungen zeigen und ein wenig aneinander verklemmt sind. Durch den Magneten richten sie sich dann doch aus. Plopp! Ein leises "Knacks" ist dann im Radiolautsprecher zu hören. Wenn das nach und nach alle Elementarmagneten tun oder jedenfalls recht viele, dann rauscht es.

Sie möchten das mal selbst probieren ? Kein Problem, auch wenn Sie kein altes Röhrenradio mehr haben. Alles was Sie benötigen, sind ein Nagel, eine Spule mit vielen Windungen (z.B. aus einem alten Relais), einen Transistor, und einen 600-Ohm-Kopfhörer (bzw. einen Lautsprecher und einen kleinen Übertrager). Natürlich auch eine Batterie und einen Magneten.

Als Transistor eignet sich für die Verstärkerstufe alles mögliche. Ein Foto von diesem schönen BC109C Si-Transistor aus der Zeit, als man bei Telefunken noch Röhren produzierte, möchte ich nicht vorenthalten. Aber auch ein moderner BC 547 reicht völlig.

Der Versuchsaufbau. Rechts oben die Spule, links ein kleiner Trafo, der einen 8-Ohm-Lautsprecher speist. Außerdem ein Transistor zur Spannungsverstärkung und ein Poti für den Arbeitspunkt. Der Schaltplan:

Der Magnet wird beim Experimentieren dem Nagel oder Blechstreifen vorsichtig angenähert. Wenn er bewegt wird, dann rauscht es. Die Spule Lm ist aus einem 220-V-Relais. Als Eisenprobe habe ich von einem Blech einen schmalen Streifen abgeschnitten. Einen Nagel hatte ich gerade nicht da. Mit einem zerknüllten Fetzen Papier habe ich ihn in der Spule befestig, damit der Magnet das Blech nicht sogleich herauszieht.

Das Resultat

Ja, ganz eindeutig, das Rauschen ist wieder da. Es lohnt sich mit verschiedenen Eisenteilen zu experimentieren: Stecknadeln, Dosenblech, Schrauben. Mit Ferritproben hatte ich keinen rauschenden Erfolg.
Die Handhabung des Magneten braucht etwas Fingerspitzengefühl. Wenn er sich den Nagel aus der Spule schnappt, gibt es ein lautes "Klack!". Das hört man auch ohne Verstärker. Am besten ist es, den Nagel festzukleben. Ich kam mir vor wie am Detektor, wenn ich am Drehko eine ferne Station einzustellen versuche.
Die Spule sammelt neben dem Magnetisierungsrauschen auch eine Menge Störungen auf. Die größte Brummquelle war ich selbst. Mit einem geerdeten Metallarmband geht es besser, doch sind auch allerlei prasselnde und surrende Störquellen zu hören. Zu der Zeit, als man noch arglos den Mikrofoneingang des Röhrenradios mit Drähten beschalten konnte, gab es keine Schaltnetzteile und Energiesparlampen. Aber immerhin: der einfache Versuch war ein erstes Erfolgserlebnis.

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Der Schaltplan des Verstärkers aus dem Video. Ich habe ihm für die Aufnahme eine zweite Verstärkerstufe spendiert. Der 220-pF-Kondensator zwischen Kollektor und Basis des zweiten Transistors sorgt ab 5 kHz für Gegenkopplung. So lassen sich lästige Nebengeräusche ein wenig unterdrücken.

2. Wie messen die Größe der Elementarmagneten im Eisendraht und die Zeit, die sie fürs Umklappen brauchen. Einen detaillierten Bericht finden Sie hier.

Wieviele Elementarmagneten sind in einem Stück Draht ?

Der Magneten in der Hand ist aber doch ein recht sensibles Ding. Kleinste Änderungen des Magnetfeldes ändern die Magnetisierung der Eisenprobe. Kann das nicht auch mein Netzgerät, dieses hier ? Das hat als Zusatzmodul einen Rampengenerator, der einen Elektromagneten langsam hoch- und wieder herunterfahren kann. Und an Elektromagneten habe ich einen ganze Schublade zur Auwahl. Abgesehen davon möchte ich gern mehr über die Elementarmagnete erfahren, zum Beispiel wie groß sie sind, und wie schnell sie umklappen.

Der neue Versuchsaufbau. So eine dicke Spule braucht man nicht wirklich, aber die macht was daher! 2000 Windungen aus dickem Kupferdraht. In die Spulenöffnung kann ich ein Stück Karton hineinschieben. Auf diesen Karton habe ich das Drahtstück geklebt, auf welches ich die Aufnehmerspule direkt aufgewickelt habe. Genauer gesagt: ich habe zwei Drahtstücke mit einer eigenen Spule eingebaut, die einzeln oder gemeinsam am Verstärkereingang angeschlossen werden können.

Der Versuch im Überblick. Links oben die beiden Aufnehmerspulen in der großen Feldspule. Die Feldspule wird durch das Netzgerät gespeist, das vom Rampengenerator gesteuert wird. Natürlich könnte das auch ein dicker Leistungstransistor tun. Ein Rheostat in der Leitung erlaubt die Feineinstellung des Stroms. An dem kleinen 0,4 Ω Widerstand wird der Spulenstrom gemessen. Der ist zur magnetischen Feldstärke proportional. Die dicke Spule erzeugt 28 mT pro Ampere, die kleine rechts ungefähr 15 mT (damit habe ich auch schon dieses Experiment gemacht). Auch sie genügt hier völlig.
Die Aufnehmerspulen werden mit einem Verstärker verbunden, der die Rauschspannung um den Faktor 1000 heraufsetzt und eine Frequenzfilterung vornimmt. Nur die Rauschfrequenzen zwischen 2 und 50 kHz werden durchgelassen. Damit fallen viele Störungen weg. Am Oszi kann man sich dann die Rauschspannung als Funktion der Zeit oder der magnetischen Feldstärke ansehen. Mein Digitaloszi hat eine RS-232-Schnittstelle. Damit kann ich das aufgenommene Signal an den PC übertragen und weiter analysieren.

Die etwas präzisere Messung

Hier die Messspulen. Je 130 Windungen auf dem Eisendraht, mit Schrumpfschlauch fixiert. Die Spannungen liegen im Bereich von 0.1 mV und gehen an diesen Verstärker. Natürlich mit einer Röhre, und zwar mit einer ECC83. Das gute Stück, im fliegenden Aufbau, kam schon hier zum Einsatz.

Er ist mittels Gegenkopplung auf 60 dB, also 1000-fache Verstärkung getunt. Unterhalb von 2 kHz und oberhalb von 50 kHz sinkt die Verstärkung stark ab. Hier mal der Frequenzgang. Die Konstanz der Verstärkung ist wichtig, sonst kann man das Frequenzspektrum des Signals nicht zweifelsfrei deuten. Hier nun der Gesamtaufbau. Etwas chaotisch, aber kurze Leitungen und sorgfältige Erdung haben Priorität.

Nun kann es losgehen. Wir machen zwei Arten von Messungen. Zuerst wird nur eine der beiden Messspulen an den Verstärker angeschlossen. In der zweiten Messreihe schalte ich beide Spulen in Serie, und zwar gegenpolig. Der Grund ist folgender: Wir lassen das Magnetfeld ganz langsam hochfahren. Dabei klappen nach und nach alle Elementarmagnete in dieselbe Richtung. Die Spannungsimpulse in jeder Messpule haben in Folge dessen immer dieselbe Polarität. Das sieht man auch am Oszi. Wenn beide Spulen gleichzeitig angeschlossen sind, erscheinen gleichermaßen positive und negative Impulse am Oszi. Das ist für die Rauschstatistik, die wir später machen, nicht von Bedeutung. Außerdem kompensieren sich Störungen, die durch Schwankungen des externen Magnetfeldes induziert werden. Auch dieses Feld könnte von Netzbrummen oder Eigenrauschen überlagert sein und das magnetische Rauschen aus den Eisendrähten überdecken. Das externe Magnetfeld fahren wir ganz, ganz langsam hoch. So langsam, dass wir einzelne Umklapp-Ereignisse am Schirm unterscheiden können.

Rausch-Oszillogramme

Hier ist nur eine der beiden Messspulen angeschlossen. Das magnetische Feld steigt langsam an. Immer mehr Elementarmagnete klappen in Feldrichtung um. Man sieht daher nur positive, keine negativen Impulse. Die Elementarmagnete kippen selten allein, sondern reißen sich gegenseitig in kleinen oder größeren Lawinen mit. Deshalb die die Impulse so zerklüftet. Diese Lawinen dauern rund 30 bis 150 µs. Die Impulse sind nach der Verstärkung bis zu 60 mV hoch. Das verrät uns am Ende, wie groß und beweglich die Elementarmagnete sind.

Nun sind beide Spulen dran. Es gibt positive und negative Impulse. Ich lasse den Magneten nun etwas schneller laufen. Das Oszi übermittelt die Messdaten über die Schnittstelle an den PC. Dort geht dann die Kleinarbeit und die Fourieranalyse mit MATLAB, Euler, Origin los, ganz nach persönlichem Geschmack. Das gibt dann eine schönere Statistik, beziehungsweise ein klareres Frequenzspektrum als mit der FFT-Funktion des Oszis.

Rauschspektrum und Zeitkorrelation

Das Frequenzspektrum des magnetischen Rauschens. Aussagefähig ist nur der Bereich zwischen 2 und 50 kHz. Man sieht, die Rauschspannung, beziehungsweise ihre spektrale Leistungsdichte, nimmt mit zunehmender Frequenz f deutlich ab, und zwar wie 1/f2 (rote Gerade). Es ist Brownsches Rauschen.
Im Unterschied dazu ist die Rauschspannung, die an einem Widerstand anliegt, von der Frequenz unabhängig, weißes Rauschen.

Dieses Diagramm zeigt die Zeitkorrelation. Wenn ich am Oszi einen Spannungsimpuls sehe, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass der Umklapp-Prozess nach soundsoviel Mikrosekunden noch im Gange ist (oder eben umgekehrt, dass er schon angefangen hat, bevor er mir auffiel)? Die Antwort: in den ersten 20 bis 30 µs ist der Prozess höchstwahrscheinlich noch aktiv, aber nach 150 µs ist so ziemlich alles vorbei. Die Details zur Bestimmung der spektralen Leistungsdichte und zur Zeitkorrelation sind in diesem E-Report beschrieben.

Fazit

Wie groß sind denn nun diese Elementarmagnete? Dazu muss man wissen, dass Eisen, wenn alle Magnete wirklich in dieselbe Richtung zeigten, eine Magnetisierung von 2 Tesla hätte. In den einzelnen magnetischen Domänen ist die Magnetisierung auch genau so hoch. Nur dass die Richtung des Magnetfeldes überall anders ist. Wenn ein Elementarmagnet, der eine solche Domäne belegt, nun umklappt, dann ist der Spannungsimpuls in der Spule zur Größe der Domäne proportional. Über das Induktionsgesetz läßt sich aus der Höhe und Dauer des Spannungsimpulses also die Domänengröße bestimmen. Ergebnis: in unserem Blumendraht hat ein Elementarmagnet ein Volumen von durchschnittlich 0,002 mm3. Das erscheint zwar winzig klein, aber andererseits ist es weitaus größer als ein einzelnes Eisenatom. Ein Stück Blumendraht von 1 mm Dicke und 3 cm Länge, wie ich es verwendete, enthält also 11.000 Elementarmagnete. Wobei allerdings die ganz kleinen Exemplare durch das Raster fallen, weil ihr Umklappimpuls im Restrauschen untergeht. Eine weitere interessante Zahl: 1 mm3 Eisen enthält etwa 1020 Atome. Ein Elementarmagnet enthält also immer noch die unvorstellbare Anzahl von 2 1017 oder 200 Billiarden Eisenatomen.

Hans Martins Bastelseiten 2020